In ein weiches Tuch gewickelt nahm ich meine Kleine an die Brust.

In ein weiches Tuch gewickelt nahm ich meine Kleine an die Brust …

Geburtsbericht von Uli

Seit ich wusste, dass ich wieder schwanger war, beschäftigte mich der Gedanke an die kommende Geburt. Die große Schwester des  kleinen Menschleins hatte sich bis zuletzt nicht dazu bewegen lassen, die Beckenendlage durch einen Salto zu verlassen, und so erblickte sie im UKE das Licht der Welt, um im Falle von Komplikationen sofort die volle Einsatzbreite der Medizin zur Verfügung zu haben. 

Die Geburt dort war eine an sich positive Erfahrung, aus der ich aber für diese Schwangerschaft klare Vorstellungen mitgenommen habe. Ich wollte diesmal eine 1:1-Betreuung, weswegen ich mich früh nach einer Beleghebamme umsah.

Mit Lisi Hecher fand ich auch eine Hebamme mit der ich mir eine Geburt gut hätte vorstellen können, allerdings war mir nach genauerem Überlegen der Weg ins Heidberg [Asklepios Klinik Nord - Heidberg] aus Winterhude doch zu weit. In meinem Gespräch mit Lisi erwähnte ich aber, dass ich eine Hausgeburt auch in Erwägung ziehen würde, und so empfahl sie mir, mich an Gabriele zu wenden. 

Ehrlich gesagt war ich zunächst noch etwas skeptisch, was sich aber nach dem ersten Treffen mit Gabriele legte. Ich fühlte mich stattdessen sehr professionell und herzlich betreut und freute mich auf die Geburt daheim. So rückte mit regelmäßigen Vorsorgeterminen bei uns zu Hause der errechnete Termin immer näher und verstrich schließlich. Ich horchte in mich hinein und bat das Baby darum, sich nicht an Gabrieles freiem Wochenende auf den Weg zu machen. Sonntagabend um acht würde sie schon wieder bereitstehen, aber am Wochenende hatte sie eine Auszeit, in der die Vertretung übernehmen würde. Das Wochenende verbrachte ich mit Ausruhen, was sich als eine gute Wahl herausstellen sollte. 

Als ich am Sonntag ins Bett ging hatte ich schon ein merkwürdiges Gefühl von "etwas ist anders", beschloss aber, dass schlafen die beste Idee sei. Nachts wanderte ich immer mal wieder zur Toilette und wunderte mich im Halbschlaf über meinen harten Bauch und die leichten Rückenschmerzen. In der Gewissheit, dass Gabriele einen kurzen Weg zu uns hat und dass Schlaf für uns alle sinnvoll ist, legte ich mich aber wieder hin und schlief in Ruhe weiter. Gegen drei Uhr gab es dann nichts mehr zu diskutieren: das waren Wehen, und sie waren schon regelmäßig und so stark, dass ich sie veratmen musste. Ich weckte also Ulrich und bat ihn, den Zeitabstand zu messen. Nach einer halben Stunde (die mir wie fünf Minuten vorkam) sagte er mir, dass die Wehen alle zwei Minuten kämen und eine Minute lang seien. Ziemlich bestimmt meinte er, dass wir jetzt mal Gabriele anrufen sollten. Ich war etwas unsicher, aber nachdem Ulrich darauf bestand, rief ich dann die Handynummer fürs Geburtshandy an. Eine schlaftrunkene Gabriele meldete sich, hörte mir beim Veratmen einer Wehe zu und sagte dann, dass sie sich auf den Weg zu uns machen würde. Ich selbst machte mich erstmal auf den Weg unter die warme  Dusche, während Ulrich Kaffee für den Dammschutz kochte. Auf dem Weg ins Bad drehte ich noch die Heizung auf volle Stärke, um ein warmes Zimmer für die Geburt zu haben. 

Die Dusche war sehr angenehm, und so stand ich unter dem schon fast heißen Wasser, welches ich mir während der Wehen je nach Gefühl über den Bauch oder das Kreuzbein laufen ließ. Damit ließ sich der Schmerz gut verarbeiten. Irgendwann guckte Gabriele kurz ins Bad, was ich zunächst gar nicht registrierte - ich hielt sie im Dunkeln für Ulrich und die Zeit seit dem Anruf erschien mir als viel zu kurz, als dass sie schon eingetroffen sein könnte. Nach einer ausgiebig langen Dusche entschied ich mich dann fürs Abtrocknen. Ich lief zielgerichtet ins vorgeheizte Zimmer und legte mich mit dem Oberkörper aufs Bett, während ich davor kniete. Die Wehen fühlten sich zunächst viel stärker an, und ich wollte schon etwas verzweifeln, erinnerte mich dann aber an Lisis Hinweis aus dem Geburtsvorbereitungskurs, dass ich mir nach jedem Wechsel in eine neue Position drei Wehen Zeit geben sollte, um mich daran zu gewöhnen. Also konzentrierte ich mich erstmal aufs Atmen und tatsächlich wurde es schnell besser. Ich atmete vor mich hin, während Ulrich mir in jeder einzelnen Wehe das Kreuzbein massierte - eine absolute Wohltat, denn ich kannte schon von der letzten Geburt das sich jetzt wieder einstellende schmerzhafte Ziehen genau dort. Eine ganze Weile lag ich so und atmete, bis ich irgendwann das Gefühl hatte, dass ich nicht mehr so richtig weiter kann. Wieder half mir Lisis Hinweis aus dem Vorbereitungskurs: bei acht Zentimetern verlören viele Frauen kurz den Mut. Ich bat deswegen Gabriele mal nach dem Muttermund zu sehen. Tatsächlich war er schon fast ganz offen. Das machte mir wieder neuen Mut und gab mir auch die Rückmeldung, gut auf meinen Körper hören zu können. Ich wollte mich wieder vors Bett knien, und Gabriele sagte mir, ich solle dabei ein Bein aufstellen. So wechselte ich mal vom rechten zum linken Knie und dann wieder zurück. Grundsätzlich wollte ich eher wenig an meiner Position ändern, wenn sich gerade alles gut anfühlte. Um mit dem Dopton zwischendrin immer wieder nach dem Baby (dem es anscheinend sehr gut ging) zu hören, musste ich den Oberkörper aufrichten, was mir eher unangenehm war. Wie zur Bestätigung, dass es jetzt auf die Zielgerade ging, musste ich mich dann noch übergeben, was ich auch schon von der ersten Geburt kannte. Im Vergleich ist es aber viel netter, sich in schon bekannte Eimer zu übergeben, statt zu versuchen, eine Nierenschale zu treffen ;)

Inzwischen hatte ich also schon ein großes Stück der Arbeit hinter mir. Die Wehen wurden intensiver und die Rückenschmerzen leider auch. Ohne Ulrichs Massage und Gabrieles Unterstützung hätte ich vielleicht meinen Mut verloren. Stattdessen arbeitete ich mich von Wehe zu Wehe. Gabriele sagte mir, ich solle mit meiner Hand das Köpfchen fühlen und dann mit der Wehe meiner Hand entgegen schieben. Im Gegensatz zur ersten Geburt hatte ich das Gefühl das Gebären selbst zu können - niemand hielt mich an zu pressen oder wollte irgendwas von mir. Das war ein tolles Gefühl, und ich glaube, in einer nächsten Geburt würde ich sehr davon profitieren. 

Die Fruchtblase war noch intakt, und so fühlte ich immer wieder diese große, feste Membran und sagte dem Baby, es solle tiefer rutschen. Ich kann mich genau erinnern, dass es mir nicht schnell genug ging. Irgendwie hatte ich diese Vorstellung von "es muss sich doch mal merklich was bewegen" - stattdessen ging es eher in kleinen Schrittchen voran. Ich bemühte mich zwar immer noch um ruhige und tiefe Töne, merkte aber auch, dass das nicht mehr so einfach war, da die Situation inzwischen schon sehr intensiv geworden war. Gabriele holte dann den Hocker und ich setzte mich, gestützt von Ulrich, darauf. Mit den nächsten Wehen rutschte das Baby dann schnell viel tiefer und endlich platzte auch die Fruchtblase, der Gabriele schon eine besonders stabile Qualität bescheinigt hatte. So konnte ich das Köpfchen am Scheidenausgang fühlen. 

Da ich bei der ersten Geburt irgendwann die Nerven verloren und nach einer PDA verlangt hatte, war das Gefühl für mich völlig neu und natürlich etwas schmerzhaft, aber gleichzeitig erinnere ich mich an eine große Erleichterung, dass schon so viel von der Geburt jetzt geschafft war. Mit der nächsten Wehe wurde dann endlich das Köpfchen geboren, und darauf folgte in einem mir unglaublich schnell erscheinenden Tempo der Körper. Ein Schwall Blut folgte, so dass das Baby rot und weiß war. 

Noch auf dem Hocker sitzend nahm ich die Kleine auf meine Brust, wo sie von Gabriele in ein weiches Tuch gewickelt wurde. Wie schon bei der ersten Geburt waren meine ersten Worte zu ihr: "Da bist du ja!". Dann merkte ich, dass ich doch ziemlich erschöpft war. Ich legte mich mit dem Baby auf der Brust aufs Bett. Die kleine Maus lag schimpfend dort und guckte empört an der Brust, die ich ihr anbot, vorbei. Nach einer halben Stunde entschlossenen Protestes fing sie dann aber ebenso entschlossen an zu trinken. Damit kamen die wirklich schmerzhaften Nachwehen, die aber leider nicht die Plazenta lösten. Ich merkte wie Gabriele aufmerksam das Geschehen einschätzte, und schließlich sagte sie, dass es so nicht unbegrenzt lange weitergehen könne. Da ich mit den Wehen Blut verlor, sich aber die Plazenta nicht lösen wollte, rief sie dann die Feuerwehr an und sagte dem Kreißsaal im UKE Bescheid. Ich empfand zwar Angst wegen des Blutverlustes, fühlte aber gleichzeitig, wie sicher und routiniert Gabriele die Situation beherrschte. Waren vorher ihre Schwingen nur schützend über uns gebreitet, so rückte sie jetzt ein Stück näher, um die Situation ganz genau kontrollieren zu können. Das gab mir viel Sicherheit. Die Nabelschnur war auspulsiert, und so schnitt Gabriele sie durch. Sie zog die Kleine an und nahm sie auf den Arm, während ich von vier Feuerwehrmännern die Treppe hinunter und in den Rettungswagen getragen wurde. Während der Fahrt und als ich in den OP gebracht wurde, war mein Baby bei ihr, und ich konnte mich auf mich konzentrieren, während ich die Kleine in sicheren und liebevollen Händen wusste. 

Glücklicherweise hatte sich die Plazenta bei der Ankunft im Krankenhaus schon gelöst, und so konnte ich schnell wieder zu meiner Tochter und Gabriele in einen Kreißsaal. Dorthin kamen dann auch noch Ulrich und meine Schwester. Wir ruhten uns alle eine Weile lang aus, dann probierte ich, ob es mit dem Aufstehen klappt. Als das funktionierte, riefen wir ein Taxi, fuhren nach Hause und ich konnte in ein kuscheliges Wochenbett kriechen und mich um mein Baby kümmern. 

Gabrieles Betreuung war liebevoll und hilfreich, und so war ich wirklich traurig, als sie sich irgendwann in den wohlverdienten Urlaub verabschiedete. An ihrer Stelle kam dann Nilufar, bei der ich mich auch sehr gut aufgehoben fühlte. 

Zwar sind derzeit keine weiteren Kinder geplant, aber falls es doch noch Geschwister geben sollte, dann wird auch dieses eins von "Gabrieles Babies" werden. Es ist toll, dass ich so gebären konnte und dabei so gute und liebevolle Betreuung erfahren konnte.

Marco Hess